Was haben Phantasiereisen, Spiele und dynamische Übungsteile, z.B. im ständigen Wechsel von langsamen und schnel­len Bewegungsreihen, wie sie beim Kinder-Yoga geübt werden, mit Yoga zu tun?

Wird man durch diese “Spielerei” das hohe geistige Anliegen des Yoga, wie das Streben nach Selbstverwirklichung und nach Einheit, noch gerecht?

Diese Gefahr ist im Kinder-Yoga gegeben, wenn der Unterricht substanzlos nicht auf der Grundlage des Yoga entwickelt wird. Erst auf der Basis des Wissens und der eigenen Erfahrung mit Yoga kann der Kinder-Yoga Übungsleiter diese in rechter Wei­se auf die Yogaarbeit mit Kindern übersetzen. Durch den Yoga-Unterricht mit Kindern kann er sich, wenn er dazu bereit ist, einen neuen Zugang zum Yoga schaffen. “Er kann helfen, die Eingeengheit, die Verbissenheit und Phantasielosigkeit, mit der Yoga nicht selten imitiert wird, zu verän­dern, ohne dass dabei die höheren Ziele des Yoga verraten werden.

Mein eigenes Schlüsselerlebnis, welches zwar nicht direkt mit dem Kinder-Yoga zusammenhängt, aber die Unbeweglichkeit beim Yoga üben beschreibt, hatte ich zu Beginn meiner Yoga-Lehrer Ausbildung beim Berufsverband der Deutschen Yogalehrer (BDY). Als wir während eines Seminars gerade die Hel­denhaltung  eingenom­men hatten, sagte der Referent spontan: “Jetzt springt aus der gegebenen Haltung heraus. Als ich dies zuerst etwas widerwil­lig tat, spürte ich gleich, wie starr und unbeweglich ich mich in der statischen Phase verhalten hatte.

Hatha-Yoga bedeutet ja nicht, solange in einer gegebenen Hal­tung zu verharren, bis man kalt und starr wird und vielleicht so­gar Spannungen aufbaut.

‘Hat das staunende, vorurteilsfreie Schauen des Kindes. welches spontan ein Tier-Asana einnehmen und sich hineinversetzen kann, nicht mehr mit Spiritualität zu tun, als das Ehrgeizige und verbissene üben mancher erwachsenen Yoga-übende? Die absichtslose Hingabe des Kindes beim selbstvergessenen Aufgehen in einem Spiel, beim Schauen eines Bildes oder eines Geschehens, beim Lauschen auf eine Fantasiegeschichte, hat in wesentlichen Zügen etwas von meditativer Haftung; eine Hal­tung, zu der der Erwachsene meist durch anhaltende, regelmäßige Übung hinfinden muss.

Durch die Yogaarbeit mit Kindern wachen bei uns die Anfänge unseres eigenen meditativen Lebens wieder auf. Wir werden für eine Zeit in unsere eigene Kindheit zurückver­setzt.

Es ist ein Erinnern an das in der Kindheit gelernte Bewegungs­muster, an die ganzheitliche Herangehensweise an Dinge und an dem spielerischen Erforschen der Welt. Hieraus kann durchaus eine kritische Reflexion der eigenen Kindheit folgen, wie z.B., welche Umstände dazu geführt haben, dass man teilweise sein Kind sein nicht ausleben konnte. Durch die Besinnung auf die eigene kindliche Seele findet er ein­en besseren Zugang zum Wesen des Kindes. Er sieht den siebenjähri­gen Jungen, was für Spiele er mag, wie er sich bewegt und welches Potenzial er besitzt.

Dabei können die Lebensbedingungen und Anforder-ungen, denen Kinder heutzutage ausgesetzt sind, nicht außer Acht gelassen werden.

Zudem muss er Kenntnis über die Technisierung des Freizeitverhal­tens des Kindes durch Fernsehen, Video und Computer besitzen und die Faszination, die es auf ihn ausübt, begreifen, können. Ein spannender und erlebnisreicher Yoga-Unterricht lässt die Kinder zu mindestens für die Dauer der Übungszeiten Gameboy oder ihre Lieblingssendung im Fernsehen vergessen. Und der Kinder-Yoga Übungsleiter wird mit engagierten Rück­meldungen und leuchtenden Kinderaugen belohnt.